Als die Fußballstadien während der Pandemie leer blieben, schalteten auch viele Fernsehzuschauer:innen nicht mehr ein. Ohne die Resonanz von den Rängen – die Gesänge, das Geraune und Gejubel – verlor das Geschehen auf dem Rasen schlagartig an Reiz. Nie war es offensichtlicher, dass der ganz spezielle Sound einen wesentlichen Teil der Faszination dieses Sports ausmacht. Fangesänge und professionell produzierte Hymnen verleihen dem Spiel nicht nur emotionale Tiefe und prägen die Fußballkultur, sie waren auch entscheidend für die Verwandlung des Sports in ein Unterhaltungsprodukt. So ist es nicht übertrieben zu sagen: Der Aufstieg des Fußballs zur populärsten Nebensache der Welt wäre undenkbar gewesen ohne die Musik, die ihn umgibt.
Gunnar Leue hat den Sound des Fußballs als Fan in Stadien live erlebt und als Journalist und Autor beschrieben. Mit »You’ll Never Sing Alone« legt er eine umfassende Darstellung des Themas in all seinen Facetten vor. Unterhaltsam wie informativ erzählt das Buch die Geschichte der Fußballbegleitmusik von der Entstehung des modernen Fußballs im 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Es schaut zurück auf die skurrilen und wenig bekannten Anfänge des Fansupports, auf erste singende Fußballstars, die Entstehung von Vereinshymnen und die Entwicklung der Ultraszene zu einer internationalen Jugendbewegung.
Immer wieder stößt Leue auf den einzigartigen Zusammenhang von Fußball und Pop, der die Gesangskultur in den Stadien prägte und diverse Kommerzialisierungswellen seit den 1920ern auslöste. Entlang dieses Spannungsfelds geht das Buch den Fragen nach, die den Kern der Fußballkultur betreffen: Sind Stadien bedeutende Orte, an denen sämtliche Milieus einer gespaltenen Gesellschaft zueinanderkommen und gemeinsam singend agieren? Oder doch nur weitere Arenen des Entertainments, in denen sich passive Konsument:innen berieseln lassen?